Meine Schwenkergeschichte
Im April 1984 erwarb ich eine neue Moto Guzzi Le Mans 3. Wie bei den meisten anderen auch, kam für mich nach Geburt unseres ersten Kindes die Frage auf, wie kombiniert man eine Motorradleidenschaft mit dem Familienleben. Nach Sondierung der Möglichkeiten und der Lektüre einiger Berichte, stand mein Entschluss noch nicht richtig fest. Mit einem festen Gespann konnte ich mich nicht so recht anfreunden. Am interessantesten fand ich den Armec-Schwenker. Durch die Gespannfahrer-Zeitschrift hörte ich von dem Euro-Gespanntreffen. Ich nutzte die Gelegenheit und fuhr dort eine Kawasaki Zephir 750 + Armec-Sidewinder mit meiner Frau und unserem Sohn zur Probe. Die Optik des Seitenwagens hatte mich eigentlich schon lange überzeugt und auch das Fahren machte Spaß, nur mit dem Preis konnte ich mich nicht anfreunden.
Bei einem Moto Guzzi-Treffen in Thal (Bayern) hatte ich meinen zweiten Kontakt mit einem Armec-Schwenker. Ich durfte dort noch einmal das Gespann von Jochen Jürgensen, diesmal mit einer Moto Guzzi als Zugmaschine, ausgiebig Probe fahren. Nach dieser Probefahrt stand für mich fest: So ein Ding muss her. Doch das gesparte Geld reichte immer noch nicht für den Kauf eines Armec Sidewinders. Da man mir den Seitenwagen nicht als Bausatz verkaufen wollte – da er nur fertig an der Maschine verkauft würde – versuchte ich, einen gebrauchten zu finden. Über ein Jahr lang suchte und inserierte ich in allen einschlägigen Fachzeitschriften nach einem einzelnen Seitenwagen.
Doch wie der Zufall es wollte, bekam ich auf Nachfrage bei Jochen Jürgensen einen Tipp, wo ein solcher Seitenwagen gebraucht zu verkaufen sei. Ich rief den Verkäufer an und verabredete mich mit ihm im Sommer 1994 für einen Besichtigungstermin. Als ich den Seitenwagen dort besichtigte, stand für mich fest, diesen Seitenwagen muss ich haben. Der Seitenwagen entsprach genau meinen Vorstellungen, es war die alte Ausführung ohne das Licht in der Bugspitze und mit dem alten – meiner Meinung nach – schöneren Kotflügel.
Der Verkäufer ließ mit sich reden, da mir die Summe, die er haben wollte, zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig zur Verfügung stand, konnte ich eine Karenzzeit aushandeln allerdings war dann nichts mehr mit handeln. Ende 1994 war es endlich soweit: Ich hatte die vollständige Summe zusammen und konnte meinen Seitenwagen abholen. Im Frühjahr 1995 begann die Montage. Der Unterzug wurde montiert, die Bremse und die Elektroleitungen mit der Maschine verbunden und die Vollverkleidung angepasst.
Für die richtige Einstellung holte ich mir noch Tipps bei Jochen Jürgensen, der mir die Maße für die Vorspur (12 mm) und die richtigen Reifendrücke (vo. 3,0 bar/hi. 3,6 bar, Seitenwagen 1,0 bar) gab. Durch vorherige Absprache mir unserem TÜV-Prüfer gestaltete sich auch die Eintragung in die Papiere recht einfach. Bei einem Sattler ließ ich meine Sitzbank neu beziehen und ein Verdeck nach meinen Vorstellungen für den Seitenwagen anfertigen, und ich rüstete den Seitenwagen mit einem Hosenträgergurt aus. So konnte mein Sohn mit einem Sitzkeil mitfahren. Mit seinen knapp 2 Jahren erhielt er so bei einem Guzzi-Treffen einen Pokal als jüngster Teilnehmer.
Den Seitenwagen montierte ich bei ca. 70.000 km. Bis heute habe ich mit der Maschine insgesamt über 130.000 km zurückgelegt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der Breite, gibt es für mich mittlerweile nichts Schöneres als Schwenker-Fahren. Das einzigste Manko ist die eingeschränkte Schräglage in Rechtskurven und dass man in Staus nicht mehr durch die Mitte fahren kann. Auch die eingeschränkte Bodenfreiheit ist von Nachteil, denn der Schwenkerrahmen und der Unterzug sind doch sehr dicht über dem Boden, so dass ich an so mancher Bordsteinkante hängen geblieben bin und etwas von meinem roten Lack hinterlassen habe.
Als ich den Seitenwagen damals erwarb, sagte mir jemand: „Wenn der einmal dran ist, dann baust du den sowieso nicht mehr ab.“ Ich muss sagen, er hatte recht! Selbst bei Alpen-Touren, wo ich ihn leicht hätte zu Hause lassen können, nahm ich den Gepäckwagen mit. Jetzt wird mancher sagen: mit so einer Bremse in den Alpen?? Die würden sich aber wundern, wie zügig man mit so einem Gespann unterwegs sein kann. Das Fahren mit einem solchen Gespann in den Alpen mit einer reinen Solo-Truppe ist doch sehr anspruchsvoll, die Überholvorgänge sollten gut bedacht sein und auch auf engen winkeligen Straßen wird die Straße manchmal recht eng. Gerade in Linkskurven ist so ein Schwenker-Gespann breiter als ein Auto und wenn dann rechts noch Felswände sind und ein Bus oder LKW entgegenkommen, macht man sich auf dem Motorrad schon mal recht schmal.
Der Reifenverschleiß am Hinterrad des Motorrades war auf meiner ersten Alpen-Tour Richtung Südfrankreich im Gespannbetrieb doch erschreckend. Im Solo-Betrieb wäre ich mit den Reifen noch bis nach Hause gekommen, aber so konnte ich mir an der Cote d´ Azur einen neuen Reifen genehmigen. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Frankreich die Motorradreifen nur beim Motorradhändler und nicht wie hier, beim einschlägigen Reifenfachhandel. Mangels Auswahl musste ich anstatt meines bevorzugten Pirelli Phantom auf einen Michelin Macadam zurückgreifen. Dieser Reifen hat mich auf der Rückfahrt und mit seiner Laufleistung von fast 7.000 km überzeugt, so dass ich seit dem nur noch diesen Reifen verwendet habe. Der Pirelli war nach 5.000 km blank. Der Seitenwagenreifen hält im Schnitt mindestens 25.000 km.
Der Spritverbrauch lag im Gespannbetrieb bei 10 Litern. Durch Einstellung einer anderen Zündkurve an meiner nachgerüsteten elektronischen DMC 2 Zündung liegt der Spritverbrauch zur Zeit bei 8 bis 8,5 Litern.
Zur Zeit liegt die Le Mans zerlegt im Keller zwecks Umbau, aber das ist eine andere Geschichte. Näheres findet ihr auf meinen Umbau-Seiten. Außerdem habe ich mir bei Armec in der Schweiz einen neuen Unterzug für die Moto Guzzi V10 Centauro Sport anfertigen lassen, so dass ich den Seitenwagen wahlweise an der Centauro und der Le Mans fahren kann. So habe ich genügend Zeit um in aller Ruhe den Le Mans-Umbau fertig zu stellen.